Reise in die Vergangenheit: die Orte meiner letzten 10 Geburtstage

Heute fliege ich mit einer Freundin übers Wochenende an die Côte d'Azur, denn morgen werde ich 32. Deshalb wird es in diesem Blogbeitrag etwas persönlicher. Ein weiteres Jahr liegt hinter mir mit wundervollen, neuen Begegnungen, mutigen Entscheidungen und ganz vielen Aha-Momenten. Im Alltagstrott vergißt man manchmal, welchen Weg man zurückgelegt hat. Wie alles zum Hier und Jetzt führte. Es ist Zeit für einen kleinen Rückblick. Heute nehme ich Euch mit auf eine Reise in die Vergangenheit, an einige Orte meiner vergangenen Geburtstage.   

 

23 Jahre (2006) Magdeburg

Vor 10 Jahren sah mein Leben noch ganz anders aus. Im Sommer 2006 kam ich grade aus Ecuador wieder und war auf dem Sprung nach Mazedonien für ein Praktikum bei der Deutschen Botschaft. In Magdeburg war ich seit 2003 im Studiengang Europastudien eingeschrieben und Ende August dabei, alles für die nächste Auslandsstation zu organisieren. Da war mein Fernweh noch lange nicht gestillt. Jetzt ging es erst so richtig los.

Im Bus auf dem Weg von Skopje nach Ohrid (Mazedonien)

Im Bus auf dem Weg von Skopje nach Ohrid (Mazedonien)

24 Jahre (2007) Berlin

Ein Jahr später war ich in Berlin und wohnte bei Freunden, um hier meine Bachelorarbeit zu schreiben. Ich verbrachte gefühlt den ganzen Sommer in der Staatsbibliothek mit dem Kopf zwischen den Büchern. Hab grad nochmal das Thema meiner Arbeit in meinem Email-Postfach gesucht, Google sei dank: "Interethnische Koexistenz in Mazedonien", find ich immer noch spannend. 

Burg Samoil, Ohrid (Mazedonien)

Burg Samoil, Ohrid (Mazedonien)

25 Jahre (2008) Groningen

Kaum hatte ich die Bachelorarbeit Ende 2007 abgegeben, stieg ich in ein Flugzeug nach La Paz, Bolivien. Ich fand, jetzt hatte ich ein Jahr Ausland verdient. Nach 5 Monaten Bolivien ging es mit dem Bus nach Peru, Ecuador und Kolumbien und wieder zurück. Und dann begann mein Masterstudium in Humanitärer Hilfe in den Niederlanden. Am 29.08.2008 saß ich abends mit zwei Kommilitonen (die ich erst seit ein paar Stunden kannte) vor einer Kerze in meinem kleinen Wohncontainer, den ich einen Tag vorher bezogen hatte, während sie "Happy Birthday" sangen. Meine Geburtstage waren in den letzten Jahren oft Übergangsmomente, Zeiten des Abschieds oder des Ankommens. 

Teusaquillo, Bogotá (Kolumbien)

Teusaquillo, Bogotá (Kolumbien)

26 Jahre (2009) Bogotá

Kolumbien, mon amour! Über meine Liebe zu Kolumbien habe ich hier schon ein paar Zeilen geschrieben. Nachdem ich ein Semester meines Masters in den Niederlanden und ein weiteres in Spanien verbrachte, ging es nach Bogotá, wo ich meine Masterarbeit an der Javeriana Universität schrieb. Ich war müde nach so vielen Umzügen und Neuanfängen und wollte nur noch ankommen. Dies war mein Sehnsuchtsort und hier blieb ich, fast 3 Jahre. Den 29. August verbrachte ich mit meinem Vermieter Bernardo und seiner Frau. Die Beiden waren unglaublich liebenswerte Menschen und wie eine zweite Familie für mich. 

Valle de Cocora, Quindío (Kolumbien)

Valle de Cocora, Quindío (Kolumbien)

27 Jahre (2010) Bogotá

In Kolumbien kam ich auch nicht so richtig zur Ruhe, aber ich hatte eine Konstante - mein Zuhause in Bogotá. Ich arbeitete anfangs für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in der kolumbianischen Hauptstadt. Aufgrund der zunehmenden Flüchlingsströme im Süden Kolumbiens eröffnete UNHCR Anfang 2010 dort ein weiteres Büro und ich ging mit. Mehrere Monate pendelte ich als Beraterin zwischen Bogotá und den Vertriebenenzentren im heißen Süden und unterstützte UNHCR beim Aufbau der Beziehungen zu den kolumbianischen Institutionen. Am 29.08.2010 war ich für ein paar Tage in Bogotá, um ein bisschen runterzukommen. Wie ich den Tag verbracht habe, weiß ich nicht mehr. Bestimmt stundenlang am Telefon mit der Heimat.

"Die Freiheit ist das höchste Gut." Bogotá (Kolumbien)

"Die Freiheit ist das höchste Gut." Bogotá (Kolumbien)

28 Jahre (2011) Aracataca

Was es mit Aracataca auf sich hat, könnt Ihr hier lesen. Versucht das mal drei Mal hintereinander ganz schnell auszusprechen. Na?

In Kolumbien bekam ich zum ersten Mal das, womit ich nie gerechnet hatte. Heimweh. Ich sehnte mich nach Hause, nach Deutschland, meiner Familie, meinen Freunden, den Jahreszeiten. Mir wurde klar, dass ich für die Auslandsarbeit nicht gemacht war. Es ist ein heeres Ziel, als humanitärer Helfer in den Krisengebieten dieser Welt unterwegs zu sein und ich bewundere meine Studienfreunde, die heute in Ländern wie dem Sudan, Afghanistan und Haiti arbeiten. Die ihr Leben riskieren, um anderen zu helfen. 

Ich musste mir eingestehen, dass ich dafür nicht geschaffen bin. Mehr als je zuvor wurde mir in Kolumbien die Endlichkeit meines Lebens bewusst. Und mir wurde klar, dass ich die Zeit, die ich habe, bei meiner Familie verbringen will. 

Ich habe das Glück gehabt, bis Ende 20 alle meine vier Großeltern in meinem Leben gehabt zu haben. Die Zeit mit ihnen war und ist so kostbar. Wenn ich einmal im Jahr an Weihnachten zum Heimatbesuch zu Hause war, sah ich die wenigen Tage mit ihnen wie im Zeitraffer an mir vorbeiziehen. 

Zuhause

Zuhause

Meine Großeltern an Weihnachten

Meine Großeltern an Weihnachten

29 Jahre (2012) Bonn

Ende 2011 brach ich in Bogotá meine Zelte ab und zog nach Deutschland zurück. Ich wollte eigentlich nach Berlin ziehen (von hier sind es nur 2 Stunden bis zu meiner Familie), bekam dann aber im Frühling eine Jobzusage in Bonn bei der Welthungerhilfe als Länderreferentin für Südamerika. Das war nicht eben um die Ecke, aber manchmal muss man ein paar Umwege gehen, um ans Ziel zu kommen.

An meinem Geburtstag war ich zu Hause und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir bei meinen Großeltern Erdbeertorte gegessen haben. Die hat mir mein Ömchen früher auch immer gebacken.  

 

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30 Jahre (2013) Bonn

Eigentlich hatte ich alles. Sicherheit, einen tollen Job, ein schönes Zuhause. Im Grunde fehlte mir nichts. Glücklich war ich trotzdem nicht. Spätestens als ich jeden Tag freiwillig 7 Uhr als Erste im Büro war, damit ich schon um 16 Uhr Feierabend machen konnte, wusste ich, dass es das nicht war. Und dass ich ganz schnell einen Plan B brauchte, wenn sich etwas ändern sollte.

Ich musste nicht lange suchen, denn es gab immer schon diese eine Sache, die mich glücklich gemacht hat. Fotografie. Wie das alles anfing mit der Fotografie damals, könnt Ihr hier lesen. Am Anfang dachte ich mir, ich baue das jetzt ganz langsam auf, mache das nebenberuflich ein paar Jahre und dann sehen wir weiter. Das war Anfang 2013. Und dann ging es Schlag auf Schlag, so schnell konnte ich gar nicht gucken. Nachdem ich zunächst Freunde und Familie fotografierte und jeden, der wollte, war mir schnell klar, dass ich mit ganzem Herzen Familienfotografin bin. Authentische Aufnahmen von echten Momenten des Miteinanders mit seinen Kindern zu haben, ist ein Geschenk. Und dazu fühlte ich mich berufen. Den Sommer über fotografierte ich soviel ich konnte, um besser zu werden und meinen Stil zu finden. Ab Herbst hatte ich dann das große Glück, meine Stelle bei der Welthungerhilfe in Teilzeit ausüben zu können. Manchmal fügt sich irgendwie alles, so wie es sein soll. Mit meinem Teilzeitjob hatte ich genügend Sicherheit und vor allem Zeit, mich nebenberuflich als Fotografin selbstständig zu machen.   

Auch an diesem Geburtstag war ich wieder bei meiner Familie. Ja, Erdbeertorte gab es auch. Und ganz viele schöne Momente mit meinen liebsten Menschen. 

 

31 Jahre (2014) Berlin

2014 war ein tolles Jahr. Die Kombination aus Sicherheit und kreativer Freiheit war wunderbar. Mein Ansatz, Familien zu fotografieren, sprach sich in Bonn schnell rum, ich wurde viel weiterempfohlen und konnte anfangs gar nicht glauben, dass ich tatsächlich Geld mit der Fotografie verdiente. Es machte mich unglaublich glücklich, mir etwas Eigenes aufbauen zu können und gleichzeitig soviel Dankbarkeit für meine Arbeit zurückzubekommen. Ende September lief mein Arbeitsvertrag bei der Welthungerhilfe aus und ich entschied mich, nach Berlin zu ziehen. Das war ganz schön mutig, denn ich hatte mich die letzten 1,5 Jahre als Familienfotografin in Bonn etabliert, hier waren 90% meiner Kunden und Bonn ist eine Familienstadt. Ich wusste, dass Berlin ein ganz anderes Pflaster ist, aber ich wollte es versuchen. 

Mein Geburtstag wurde ein symbolträchtiger Tag. Am 29. August fuhr ich mit dem ICE von Bonn nach Berlin und unterschrieb den Vertrag für meine neue Wohnung in Friedrichshain. Es war nicht leicht, mein liebgewonnenes, kleines Bonn hinter mir zu lassen, aber mein Herz gehört Berlin. 

Da ich viel von authentischen Momenten schreibe, möchte ich auch hier authentisch und ehrlich bleiben. Letztes Jahr habe ich gearbeitet wie eine Irre. Ich hatte nicht nur meinen Job, der mich gefordert hat 5 Tage die Woche, sondern auch jedes Wochenende Fotoshootings. Dazu kam die Bearbeitung der Fotos am unzähligen Nachmittagen und Abenden. Zu der Zeit war ich auch noch lange nicht so schnell mit meinen Arbeitsabläufen und hab gefühlt nächtelang an meinem Laptop verbracht. Es fiel mir schwer, Aufträge abzulehnen und mir meine eigenen Grenzen einzugestehen. Umso mehr, da mir das Ganze einfach einen Riesenspaß machte! So ist das wohl, wenn man sein Lieblingshobby zum Beruf macht, es fühlt sich nicht wie Arbeit an.

Im November zog mein Körper die  Notbremse, ich lag mehrere Wochen krank im Bett und musste viele Termine absagen. Am letzten Novemberwochenende zog ich mit meinen letzten Energiereserven und der Unterstützung ganz toller Freunde nach Berlin, wo ich dann wieder krank wurde, da ich mich nicht auskuriert hatte. Das war eine harte, aber wichtige Lektion für mich. Mir wurde bewusst, dass es wichtiger sein würde, als alles andere, eine gesunde Balance zu finden zwischen Arbeit und Freizeit. Denn die Familienfotografie war jetzt mein Job. Über das erste Jahr in Berlin schreibe ich ein andernmal. Ich kann nur soviel verraten - es hat alle meine Erwartungen übertroffen.

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Ich habe viel gesehen in meinem kurzen Leben, viel Schönes, aber auch viel Leid. Alles, was Du hast, kann Dir genommen werden. Nichts bleibt wie es ist, so sehr wir auch daran festhalten wollen. Ich weiß, dass nichts selbstverständlich ist und bin dankbar, dass ich dieses Leben leben darf, auf der Sonnenseite. 

Am Ende des Tages geht es nicht darum, mehr zu Haben, sondern mehr zu Sein, zu Fühlen, zu Lieben. Mit meinen Fotos möchte ich wie mit einem Vergrößerungsglas das Wesentliche festhalten und zeigen, worauf es ankommt. Es geht nicht um die perfekte Wohnung, das schönste Kinderzimmer, die schicksten Outfits. Was am Ende des Tages zählt, sind die kleinen und großen Momente des Glücks, der Nähe und Verbundenheit mit den Menschen, die wir lieben. 

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